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Warum „Nicht’s tun“ manchmal genau richtig ist

Übungsleiter im Sport kennen das Phänomen nur zu gut und auch an mir geht es nicht vorbei: Kinder, die eine Sportart lernen sollen und schon mal ein bisschen geübt haben.

Lasst mich ein wenig aus meinem Alltag berichten: Ich arbeite viel im Wasser und mache dort natürlich auch Anfängerschwimmkurse. Die ersten Kursstunden sind für die Kinder aufregend und mit ganz vielen neuen Eindrücken gefüllt. Das Ankommen im Kursalltag braucht ein wenig Zeit. Viele Eltern oder auch Großeltern meinen es da im Vorfeld sehr gut, wenn sie schon mal ein bisschen „Üben“. Diese unheimlich gut gemeinten Bewegungseindrücke können allerdings für das Kind zu Verwirrung im Kursbetrieb beim Lernen der eigentlichen Sportart führen. Warum?


Nun ja, ein Bewegungskurs, wie Schwimmkurs, Skikurs und Co., erfüllt den Zweck eine sehr genaue Bewegungsform zu erlernen. Gerade in den ersten Einheiten werden Grundlagen geschaffen. Diese sind ausschlaggebend für das spätere Beherrschen der Bewegung. Sind die Grundlagen lückenhaft oder gar überhaupt nicht vorhanden, so ist das sichere Beherrschen einer Bewegung kaum möglich.


Für uns als Eltern ergibt sich daraus eine schwere Situation: Wir haben das Gefühl „nicht’s zu tun“. Oftmals ist dies verbunden mit Schuldgefühlen oder irgendetwas, was tief in uns mitschwingt und uns sagt, wir müssen doch aktiv werden. Doch genau dies gilt es zu ignorieren, wenn wir nicht selbst Experten der Bewegung sind.


Doch wieso ergibt das – zu Gunsten der Bewegungsentwicklung - Sinn?

Beim Skifahren oder auch beim Schwimmen, an sich immer dann, wenn es um das Erlernen einer konkreten Technik geht, werden vor allem in den ersten Einheiten vorbereitende Übungen angeleitet und geübt. Diese sind wichtig, da sie das spätere Techniklernen ermöglichen. Ohne diese Basis ist die Gefahr sehr groß, dass sich gravierende, teils kaum mehr rückgängig machbare Fehler einschleichen. Beim Schwimmen beispielsweise wird zunächst unheimlich viel zum Erlernen der Wasserlage mittels passivem Auftrieb gearbeitet. Fehlt dieser, so stellt sich oft auch nach jahrelanger Übung, kein entspanntes dahingleiten im Wasser ein. Ich sehe in so gut wie jedem Kurs Kinder, die – zumindest mit passiven Auftriebshilfen- bereits Brustschwimmbewegungen können. Entferne ich die Hilfen, gehen die Kinder unter und kommen auch nicht von allein wieder an die Oberfläche. Diese Kinder benötigen unheimlich viel Kraft, um den fehlenden Auftrieb zu kompensieren. Ihnen fällt es zudem sehr schwer, in umgekehrter Reihenfolge, also im Nachhinein „Auftrieb“, zu erlernen.


Wer schon einmal eine bereits seit Jahren durchgeführte Bewegung „neu“ oder „anders“ lernen musste, der weiß, wie schwierig es ist dies zu tun. Das kann jeder selbst versuchen. Beobachtet einmal, wie ihr Geht und versucht nun bewusst abzurollen. Oder versucht einmal vom Vorfußläufer zum Abrollenden-Laufverhalten zu wechseln. Eine anfänglich schier unmögliche Bewegungsumstellung, wenn wir nicht viel Kraft und Mühe investieren, um dies anzupassen. Das Umlernen eines Musters erfordert sehr viele Übungseinheiten. Wir tuen also unseren Kindern etwas Gutes, wenn wir in einen technischen Lernprozess nicht eingreifen, ohne genau zu wissen, was sinnvoll ist.


Sollen wir also abwarten und gar nichts machen?


Jain- denn es gibt Grundlagen, die sind so unspezifisch, da ist es sogar gut, wenn sie möglichst vielfältig in unserem Bewegungsrepertoire verankert sind. Diese sollen und dürfen gerne unterstützt werden. Dazu gehören Bewegungen, wie Springen, Rollen und Krabbeln in allen Facetten und Abstufungen. Springen im oder ins Wasser beispielsweise braucht Überwindung und Mut, genauso wie Tauchen. Werfen mit Stöcken oder Steinen hilft später die passende Schlagballtechnik zu erlernen. Die dort gesammelten, unspezifischen Bewegungseindrücke sind wichtig und notwendig.


Wenn wir als Eltern das Bewegungsverhalten unserer Kinder positiv beeinflussen wollen, dann müssen wir vor allem eins sein: ein Vorbild. Gemeinsam bewegen und Grundlagen schaffen, bildet die perfekte Basis, um ab dem fortgeschrittenen Kindergartenalter ins Erlernen spezifischer Techniken einzusteigen.


Die Kinder lernen so verschiedene Eigenschaften von Materialien und Umweltbedingungen kennen. Sie forschen zu ersten Gesetzmäßigkeiten, die sie wiederum beim Erlernen einer Bewegung benötigen.


Hat ein Kind im frühen Alter die Möglichkeit, sich ein breitgefächertes Grundlagenwissen zu und über Bewegung anzueignen, so fällt es ihm leicht daraus eine spezielle Technik zu entwickeln. Fehlen diese Grundlagen oder erfolgt eine Spezifizierung zu früh, so ist ein variables Anwenden einer erlernten Technik nur unter großen Mühen machbar.

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