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Koordination - ein Jeder braucht sie, doch sie wird viel zu oft vernachlässigt


Vor einiger Zeit betreute ich eine Sportgruppe, die im Rahmen ihrer betrieblichen Gesundheitsförderung Skigymnastik angeboten bekam. Es waren recht junge Teilnehmer zwischen 20 und 40 Jahren. In jeder Stunde gab es einen Teil „Gleichgewichts- und Koordinationsschulung“, welcher gerade am Anfang zu vielen Fragen führte.


Warum machen wir Koordinationstraining? Welches Ziel verfolgen wir damit? Und was hat das mit dem eigentlichen Sporttreiben zu tun?


Wichtige und sehr sinnvolle Fragen, wie ich finde. Werfen wir doch einmal einen Blick in die theoretischen Grundlagen:


Koordination beschreibt das Zusammenwirken des Zentralnervensystems und der Skelettmuskulatur innerhalb eines Bewegungsablaufs. Dies umschreibt die Steuerung und Abstimmung der Bewegungen untereinander und innerhalb des einzelnen Muskels. Wir müssen also Bewegungen lernen. Diese Fähigkeiten ermöglichen es uns, in unserer Umwelt zurechtzukommen und alle Anforderungen zu meistern.


In der Kindheit legen wir dazu die Grundlagen. Ein breit gefächertes Spektrum an Bewegungen kann uns helfen, eine gute Bewegungskoordination aufzubauen. Dabei handelt es sich zunächst um die Grobform einer Bewegung. Durch neue Eindrücke können die Kinder diese verfeinern und Teilbewegungen besser aufeinander abstimmen. Es kommt zur Feinform einer Bewegung. Verfügen wir über ein großes und vielfältiges Bewegungsrepertoire, so können wir flexibel reagieren. Unser Gehirn verfügt über ein breites Spektrum an Synapsen und kann Reize ideal aufnehmen, verarbeiten und abrufen. Dies erleichtert es uns, Umweltanforderungen zu bewältigen.


Die Liste der koordinativen Fähigkeiten ist recht lang. Sie hängen oft miteinander zusammen und bedingen sich gegenseitig.

Wie beispielsweise unser Gleichgewichtssinn und die Balancierfähigkeit. Ist unser Körper im Gleichgewicht, so können wir die von uns eingenommene Position einhalten und sie für weitere Bewegungen nutzen. Dazu arbeitet vor allem unsere Rumpfmuskulatur. Sie bildet ein Korsett rund um unsere Wirbelsäule, welches aus vielen kleinen Muskeln besteht. Sind sie gut gekräftigt und können unsere Nerven sie gut ansteuern, fällt es uns leicht, den Körper in einer Position zu halten.



Ich höre immer wieder von Müttern, die kurz nach der Geburt scheinbar ganz plötzlich Gleichgewichtsprobleme bekommen und gefühlt über die eigenen Füße stolpern. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Schwangerschaft und Geburt haben in der Rumpfmuskulatur und im Beckenboden ihre Spuren hinterlassen. Die Muskulatur ist nicht ausreichend ausgebildet und teilweise war sie stark gedehnt. Dies führt zu einer schlechteren und oftmals vor allem langsameren Ansteuerung und somit zum Stolpern.

Mit ähnlichen Problemen kämpfen auch Senioren. Für diese Altersklasse ist ein Koordinationstraining ein wichtiger Bestandteil der Sturz- und Verletzungsprävention.


Doch Koordination umfasst weit mehr als „nur“ unser Gleichgewicht. Damit Bewegungen miteinander verbunden sind und „rund“ ausschauen benötigen wir Kopplungsfähigkeit. Das Gehirn muss die Reize in der passenden Reihenfolge an die richtigen Stellen senden, damit diese aneinander gekoppelt die ideale Bewegung auslösen.


Eng damit verbunden ist die Fähigkeit, Bewegungen zu rhythmisieren. Beispielsweise beim gleichmäßigen Joggen oder dem Bewegen nach Musik. Aber auch im Wasser, wie beim Atmen Rhythmus beim Kraulschwimmen benötigen wir sie.

Dazu kommt dann noch die Notwendigkeit einer raschen Anpassung der Bewegung, wenn die Situation es erfordert. Dieses kann nur funktionieren, wenn wir über eine gute Ein- und Umstellungsfähigkeit in Kombination mit Antizipationsfähigkeit verfügen.


Alle Vorteile des Koordinationstrainings auf einen Blick:


  • Bessere Bewegungsqualität

  • Dadurch ökonomische Bewegungen

  • Gute, aufrechte Haltung

  • Bewegungen mit hoher Präzision und in Feinabstimmung mit anderen Bewegungen ausführen können

  • Kurze Reaktionszeit auf Signale

  • Gute räumliche Orientierung

  • Rhythmus- und Gleichgewichtsfähigkeit


Wie kann ich die Koordination trainieren?



Die beste und schnellste Lernfähigkeit für koordinative Fähigkeiten haben Kinder im Grundschulalter. Aber auch alle anderen Altersklassen können von regelmäßigen koordinativen Übungen oder Spielformen profitieren.


Für alle Eltern kann ich Entwarnung geben: gerade Kleinkinder verfügen über einen ausgeprägten Selbstbildungstrieb, das bedeutet, wenn wir die Möglichkeit schaffen, dass sie diesem nachgehen können, so nutzen sie dies, wenn sie es brauchen.


Je älter ein Mensch wird, desto bewusster sollten koordinative Bewegungsteile in den Bewegungsalltag integriert werden.

Dabei gilt: flexibles Üben mit vielen unterschiedlichen Reizen fördert optimal! Wackelige Untergründe, unebener Boden, Balanciermöglichkeiten auf Mauern oder Slacklines, Reaktionsspiele und Bewegen nach Musik – all das sind Beispiele für die große Vielfalt.


Was passiert während des Trainings?

Wie in jedem Training reagiert unser Sinnessystem auf einen externen Reiz oder die Position unserer Körperteile. Im koordinativen Bereich bedeutet dies: unser Gehirn versucht unseren Körper durch die richtigen an die Muskeln gesendeten Signale im Gleichgewicht zu halten.


Lernen wir im Kindesalter viele verschiedene Bewegungsmöglichkeiten, so bilden sich entsprechend viele Synapsen. Wir können die im Gehirn entstandenen Strukturen so im weiteren Lebensverlauf für unsere Bewegungen nutzen.


Unser Sinnessytem nimmt über die Haut, die Augen, Nase und Mund, sowie Ohren und Propriozeption (sie umfasst alle Lage- und Spannungszustände unserer Muskulatur) jeden Reiz aus der Umwelt auf. Leitet ihn weiter ins Gehirn, wo er gefiltert einsortiert und bearbeitet wird. Es folgt anschließend ein „Bewegungsbefehl“ aus der Zentrale. Dies bildet eine immer weiterlaufende Spirale aus Aufnahme – Verarbeitung – Reaktion – Rückmeldung.


Fazit

Um eine gute Koordination zu entwickeln und aufrechtzuerhalten, benötigen wir regelmäßigen und flexiblen Input. Durch die so entstehende gute Körperhaltung können wir unsere Alltagsbewegungen angemessen bewältigen. Besondere Lebenssituationen, wie zum Beispiel eine Geburt oder eine Verletzung erfordern anschließendes moderates Aufbautraining, um wieder einen guten Kontext für Bewegung und Sport zu schaffen.


Um abschließend noch einmal auf meine Betriebssportgruppe zurückzukommen, ja was soll ich sagen. Nach dem ersten Tag auf Ski, der ungefähr zwei Monate nach dem Beginn des Koordinations- und Krafttrainings stattfand, bekam ich die Rückmeldung: „Es ist genial, wie gut ich dieses Jahr auf Ski stehe. Trotzt widriger Bedingungen, konnte ich richtig gut fahren!“

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